Sein Leben war ein Ponyhof
Zeitlebens bemühte er sich stets, ein Lieber zu sein, ein Schatz zu sein, gemocht zu werden und von menschlicher Wärme umschlossen zu sein, auch und vor allem somatisch, und dies fast gänzlich ohne sexuelle Hintergedanken. Und das hatte er auch geschafft. Dieses Streben nach Harmonie war zunächst nicht immer einfach gewesen.
Seine anfänglichen Umgarnereien erschienen zunächst vielen Leuten als penetrant und plump. Doch er blieb beharrlich am Ball, so dass er irgendwann den richtigen Schliff raus hatte und die wechselseitigen Umarmungen und Liebkosungen fortan wie von selbst flutschten. So erschuf er sich in seinem persönlichen Umfeld eine Art prästabilierte Harmonie, in deren Zentrum er sich selbst setzte und von wo aus er seinen Tauschhandel harmloser und beiläufiger Zärtlichkeiten vollzog. So wurde er alsbald zu einer festen Nummer in jedermanns Handydisplay.
In seiner so gearteten sozialen Interaktion bestätigt, praktizierte er sein Karressier- und Embrassementgemeinschaftssystem schliesslich so intesiv und menschallumfassend, dass es fast schon fetischistische Züge annahm. Aber eben nur fast. Denn die ganze philanthropische Touchingchose war durchaus nicht frotteuristischer Natur. Er fand halt einfach, dass man das so machen solle. Geben und Nehmen. So streichelte er und wurde zurückgestreichelt. Und das alles war gut. Keine Zweifel und möglichst keine manischen Abweichungen auf die eine oder andere Seite. So machte er sich selbst Vorwürfe, sowohl wenn seine freundschaftlichen Avancen zu intim ausfielen, als auch wenn sie sich auf zu oberflächlichem Niveau bewegten.
Auch als er und sein kollegialer Umkreis in den mittleren Lebensabschnitt eintraten, die meisten heirateten und sich mit Kindern bereicherten- auch wenn er dies ihnen nicht gleichtat, obschon er es gern getan hätte- blieb er als sozialer Zusatz stets fester Bestandteil eines Jeden. Er wurde weiterhin zur Begrüssung gedrückt, zwischendurch sanft über den Arm gestreichelt oder auf den Hinterkopf geküsst und bekam alljährlich Myriaden an Geburtstags-, und Weihnachtskarten.
Selbst im fortgeschrittenen Alter als die Arthrose ihm das selbständige Gehen immer mehr zum waghalsigen Abenteuer werden liess, sein Stuhl sich immer öfters verselbstständigte, immer mehr Tassen aus seinem zerebralen Schrank fielen und er sich aufgrund dessen selbst ins hiesige Pflegeheim überwies, wich er nie von seiner Philosophie der bilateralen körperlichen Zuneigungsbeteuerungen ab. Und auch hier rannte er offene Türen ein. Sowohl die Pflegeschwestern, als auch die Heimmitbewohner mochten ihn auf Anhieb. So verbrachte er auch seinen Lebensabend in wohliger physischer Geborgenheit, wurde geherzt, gestreichelt und gekost.
So starb er schliesslich im stolzen Alter von 91 Jahren irgendwie zwar ziemlich einsam, dafür und trotzdem aber total vernudelt.
Eingestellt von Reklaw um 22:44
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